Vom klanglichen „Irgendwas“ zu „richtig“

Vorweg ein Hinweis zu „richtig“ in der Überschrift, die sonst zu lang geworden wäre. Es sollte heißen: „so gut wie möglich unter den gegebenen Umständen“.

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Zuerst einmal sollte man sich als „Hifi-Enthusiast“ dessen bewusst sein, dass es unter normalen Umständen keinesfalls so ist – egal welche Anlage man hat und wieviel Geld man darin investiert hat – dass diese klangneutral im eigenen Raum Musik wiedergibt, das ist bestenfalls Wunschdenken.
So wie es ist, kann es zwar gefallen, aber damit, wie die jeweilige Aufnahme produziert wurde und wie sie letztendlich im Tonstudio geklungen hat, hat das nicht mehr viel zu tun.

Warum das so ist, das habe ich in dieser HP schon mehrere Male geschrieben und erklärt. Hier zur Komplettierung dieses Artikels noch einmal:
Jeder mehr oder weniger geschlossene Raum ist eine Resonanzkammer. Wird darin Musik wiedergegeben, entstehen durch unzählige Reflexionen Klangverfälschungen, die man nicht unterschätzen sollte. Das Schlimmste dabei sind die Raummoden im Tieftonbereich. Dadurch entstehen einerseits Dröhnfrequenzen die sehr lästig werden können und andererseits „Basslöcher“, die wichtige Basstöne mehr oder weniger verschwinden lassen.
Alles das basiert auf Naturgesetzen, die unabänderbar sind (mit der Physik kann man nicht verhandeln!)

Dazu kommt, dass an jedem Punkt im Raum, an dem man sich als hörender Mensch befindet, die darin erzeugte Musik anders klingt. In diesem letzten Satz verbirgt sich das, worum es hier geht, denn es ist möglich, mit digitaler Technik an nur einem Punkt im Raum (in unserem Fall wird das der Hörplatz sein) den „verbogenen Schall“ mittels „spiegelverkehrter Gegenkurve“ gerade zu richten (zu linearisieren). Wie gut das gelingt, das hängt allerdings von den Vorgaben ab, denn – wie auch schon mehrmals geschrieben – ist es auch damit nicht möglich, aus einem akustisch katastrophal schlechten Raum einen guten zu machen. Ebenso ist es nicht möglich, damit eine sehr ungünstige Lautsprecherpositionierung im Raum zu kompensieren. Die Sache hat also ihre Grenzen. Aber zumindest kann man das Bestmögliche daraus machen und das ist schon sehr viel.

Es ist also ganz wichtig, zu wissen, dass der Raum die mögliche Qualität „deckelt“. Kaum bis gar nicht schuld daran ist im Normalfall die jeweilige Audioanlage die darin „werkelt“. Schon gar nicht die elektronischen Komponenten (Tonquellen und Verstärker jeder Art), denn auch recht billige, aber gut gemachte Produkte machen nichts falsch. Wenn schon, dann sind es die Lautsprecher, aber selbst deren Fehler sind „nichts“ gegen das was die Raumakustik dann daraus macht.
Allerdings sind die Lautsprecher nicht selten „die nächste Schwachstelle in der Kette“, vor allem dann, wenn sie nur wenig Membranfläche haben und somit schnell überfordert sind. Auf „groß“ kann man sie nicht trimmen, auch hier spielt die Physik nicht mit.

Hier noch zwei Tipps, die in vielen Fällen viel bringen würden und auf die man nicht verzichten sollte, falls möglich:
1.) die Raumakustik verbessern.
2.) das Hördreieck bzw. den Hörabstand auf ein Mindestmaß reduzieren.

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Was muss man also machen, um das Bestmögliche aus einer gegebenen Situation herauszuholen?

Kürzestmögliche Antwort: man muss in die Audiokette ein Gerät einfügen, das mittels spezieller Software spiegelverkehrt zu den Fehlern eine Gegenkurve erzeugt. Wird diese Gegenkurve dann aktiviert, sollte – zumindest theoretisch – ein glatter Schalldruckverlauf über das gesamte Hörbereich beim Hörplatz entstehen.
In Fachkreisen nennt man das „Lautsprecher-Raumanpassung“.

Derartige Geräte gibt es als eigenständige externe Zusatzkomponenten, hauptsächlich vom Hersteller miniDSP. Sie beinhalten – oder sind aufrüstbar – mit der Software „Dirac Live“.
Hier der Link zu einem Gerät das dafür ideal ist und das fast zu jeder Anlage passt (Anmerkung: es gibt diverse Optionen dazu):
Klick

Erfreulich ist, dass ein bekannter Hersteller von HiFi-Komponenten (NAD) einige seiner Stereo-Verstärker auch schon damit anbietet. Auch Yamaha, Marantz und Arcam haben bereits Stereo-Verstärker mit Dirac Live im Programm.

Bei Geräten die so etwas fix eingebaut haben, wird ein Mikrofon mitgeliefert, das man für die richtige Einmessung genau beim Hörplatz positionieren muss. Bei externen Geräten (beispielsweise bei Antimode) ist es teilweise auch so, nur bei miniDSP, wo man die Einmess-Automatik als Option dazu kaufen kann, (somit ist auch eine spätere Aufrüstung damit möglich), muss man sich selbst um ein Mikrofon kümmern. Am besten ist es, auch gleich deren Mikrofon zu verwenden, das allerdings nicht auf besagtem Gerät angeschlossen wird, sondern am PC über eine USB-Schnittstelle.

Bei Dirac Live kann man sogar gewünschte „Zielkurven“ eingeben, die bei der Erzeugung der Gegenkurve mitberücksichtigt werden. Ich habe beispielsweise für mich den Bass unter 100Hz um 6dB angehoben, weil meine bevorzugte Musikrichtung recht bassarm ist. Den Rest lasse ich linear. So gefällt mir die Musikwiedergabe am besten.

Meist kann man mehrere Einstellungen im Gerät speichern und je nach Bedarf abrufen. Dazu sind nur wenige Mausklicks notwendig. Sehr praktisch ist auch die Funktion „Dirac ein/aus“ während der Musikwiedergabe, dazu ist nur jeweils ein Mausklick notwendig.
Selbstverständlich kann man auch noch in einem Dateiordner im PC oder auf externen Datenträgern und ebenso in einer Cloud „unendlich“ viele weitere derartige Dateien abspeichern und jederzeit aktivieren.

Wer die Lautsprecher-Raumanpassung nicht „blind“ durchführen lassen möchte (Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser) der macht die Sache (vorher/nachher) sichtbar, mittels (kostenloser) Einmess-App für den PC. Ich verwende „Audionet-Carma“, weil es einfach, in deutsch und fast selbsterklärend ist. Auch dazu gibt es Alternativen, allen voran ARTA (gibt es schon sehr lange, aber nur für Windows).

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Hier noch drei Messungen aus meinem Hörraum (beim Hörplatz!) meiner privaten vollaktiven Sub-/Sat Anlage. Unter 90Hz arbeiten 4 Stk. geschlossene Subwoofer, die mit je einem 18 Zoll (46cm) Chassis ausgerüstet sind. Ab 90Hz aufwärts gibt es neuerdings bei mir sogenannte „Open Baffle“ Lautsprecher (also „gehäuselose“).

Hier der Link zur Herstellung davon

Mein (noch linear eingestellter) Schalldruckverlauf mit selbst eingegebenen Filtern in den DSP, aber ohne dass ich dabei „jedem Zacken hinterher gelaufen bin“, was kaum geht und genau genommen auch gar nicht notwendig ist:

Hier das Gleiche noch einmal, aber nach der Korrektur mit  Dirac Live:

Und hier noch einmal, aber mit Eingabe „meiner ideale Hörkurve“ für die Musikwiedergabe (Bass um 6dB angehoben):

Dass sieht natürlich toll aus, aber um ehrlich zu sein, bringt diese Perfektionierung bei mir und meiner Anlage klanglich fast keine weitere Verbesserung mehr mit sich.
Nur wenn man ganz genau hinhört, wird die virtuelle Mitte durch die dann kaum noch vorhandenen links/rechts Unterschiede noch etwas ausgeprägter. Das ist aber nur deshalb so, weil bei mir der Schalldruckverlauf durch den Einsatz eines DSPs, den ich sowohl als digitale Frequenzweiche, als auch zur Lautsprecher-Raumanpassung verwende, ein sehr guter ist. Im Normalfall ist das keinesfalls so.
Wozu dann das Ganze? Weil ich ein gnadenloser Perfektionist bin und weil mich Dirac Live interessiert hat.

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Noch etwas, das zu einem großen Vorteil werden könnte:
Sollte man mal übersiedeln oder einen anderen Raum zur Musikwiedergabe nutzen oder vielleicht auch nur die Einrichtung im bisherigen Raum ändern oder die Lautsprecher tauschen oder deren Positionierung ändern……. – alles das hat  auch klangliche Veränderungen zur Folge. Binnen kurzer Zeit hat man dann wieder den bestmöglichen Klang eingestellt.

Es gibt aus meiner Sicht kaum eine sinnvollere Investition, die man als „HiFi-Enthusiast“ tätigen kann.