Gibt es „Verstärkerklang“?

Gibt es „Verstärkerklang“ – bzw. klingen Verstärker unterschiedlich? Und wenn ja, warum?

Diese Frage gibt es, seitdem es HiFi gibt. Die richtige Antwort darauf ist: ja, es kann Verstärkerklang geben, aber nur bei Verstärkern die etwas falsch machen und so etwas gibt es kaum (noch).

Diese Antwort gefällt den HiFi-Enthusiasten natürlich gar nicht, weil sie ja ständig nach „besser klingenden Geräten“ suchen. Und wenn sie dann tatsächlich einen Verstärker gefunden haben, der in ihren Ohren besser klingt, nehmen sie einfach an, dass dieser irgend etwas besser macht als alle anderen die sie zuvor gehört haben. Ist dieser Verstärker dann auch noch ordentlich teuer, ist die HiFi-Welt für sie in Ordnung.
Wie falsch sie damit liegen (können), das verstehen sie nicht, weil ihnen der technische Background dazu fehlt. Dabei ist die Sache doch so einfach!

Nur so nebenbei: einen Verstärker herzustellen, der neutral – also linear – arbeitet, das ist relativ einfach, denn das ergibt sich sozusagen von alleine. Nicht mehr ganz so einfach ist es, einen Verstärker zu konstruieren, der „soundet“, denn dazu muss man klangbeeinflussende Bauteile einfügen und recht genau wissen, was man tut. Die Frage ist nur wozu? Bei jedem Test würde das sofort auffallen und negativ bewertet werden.

Was macht ein idealer Verstärker?
Er arbeitet wie ein „Draht der verstärken kann“. Das heisst, er verstärkt ohne Klangverfälschung. Und das ist gar keine schwierige Aufgabe, geschätzte 95% aller der am Markt angebotenen sogenannten „HiFi- Verstärker“ machen genau diesen Job. Mit dem Preis hat das fast nichts zu tun, bereits sehr billige Transistorverstärker guter Hersteller erfüllen diese Forderung, zumindest an üblichen Lautsprechern. Röhrenverstärker können das nicht bzw. fast nie und das hat seinen Grund. (Erklärung dazu unter „Verstärker allgemein“).
Tatsächlich ist es so, dass die meisten Verstärker bei verblindeten Vergleichen klanglich nicht auseinander zu halten sind, sie klingen alle gleich. Das verblüfft vor allem HiFi-Enthusiasten, die vorher noch nie die Gelegenheit hatten, auf diese Art zu vergleichen, weil bei Tests und bei jeder Art von Werbung immer Gegenteiliges behauptet wird. Wie kann es also sein, dass es keinen hörbaren Unterschied gibt zwischen guten billigen und sündteuren Verstärker Boliden? Vor allem bei Verwendung üblichen Lautstärken?

Wie schon erwähnt, können Verstärker die Wiedergabefehler produzieren, „besser gefallen“. Dagegen wäre nichts einzuwenden, gäbe es dazu nicht die Absolutaussage, dass derartige Verstärker den anderen überlegen sind, denn aus technischer Sicht ist genau das Gegenteil der Fall.

Was passiert dabei tatsächlich?
Das eigentliche Problem ist, dass Lautsprecher für einen Verstärker keine konstante Last darstellen, sondern dass sich – je nach Frequenz die ihnen zugeführt wird -, deren Widerstandswert (Impedanz) ändert.
Stromstabile Verstärker (also solche mit hohem Dämpungsfaktor, mit hoher Wattzahl hat das nichts zu tun!) reagieren darauf nicht, sie liefern bei jeder Frequenz die gleiche stabile Ausgangsspannung und passen den nötigen Stromfluss der jeweiligen Last an.
Anders bei „weichen“ Verstärkern, die sich von der schwankenden Lastimpedanz beeinflussen lassen. Je nachdem welche Lautsprecher angeschlossenen sind und wie deren Impedanzverlauf aussieht, „spiegeln“ sie dazu ihren Spannungsverlauf. Umso „weicher“ sie sind, desto mehr. Sie verlassen ihre Linearität, sie „sounden“ und dadurch verändert sich ihr Klang.

Das kann man sogar als mehr oder weniger technischer Laie selbst messen, dazu genügen eine pegelkonstante Spannungsquelle, die verschiedenen Sinus-Frequenzen im Hörbereich liefert (Tongenerator oder CD mit Messfrequenzen drauf oder ein Signalgenerator, den man über das Internet online verwendet) und ein Wechselspannugsmessgerät (Multimeter in der AC-Stellung. Dazu aber eine Anmerkung: billige Multimeter messen meist nur bis 8kHz linear, darüber hinaus entstehen Messfehler). Gemessen wird direkt an einem der Lautsprecheranschlüsse und selbstverständlich mit angeschlossenem Lautsprecher. Vorsicht wegen der Dauertöne, möglichst kurz messen! Spannung etwa um die 4-5 Volt wählen, das ist schon ziemlich laut.
Ändert sich die mit dem Lautstärkesteller vorher eingestellte Ausgangsspannung (für die Grundeinstellung am besten eine mittlere Frequenz um die 500Hz wählen) bei sich ändernder Frequenz nicht oder kaum, arbeitet der Verstärker stromstabil (zumindest einmal in diesem Pegelbereich, darüber hinaus kann sich das bei schwachen Verstärkern ändern). Schwankt die Ausgangsspannung relativ stark (10% oder mehr), so „soundet“ der Verstärker und das wird auch hörbar sein.

Noch ein paar Anmerkungen dazu:
→ Bisher wurde immer vom „HiFi-Normalfall“ ausgegangen, also ein Verstärker mit daran angeschlossenen passiven Lautsprechern.
So ganz frei von dieser Problematik sind aber aktive Lautsprecher „intern“ auch nicht, aber dort gibt es zumindest keine Bauteile zwischen den Verstärkern und den Lautsprecherchassis, was die Sache sehr „entschärft“.
-> Lautsprecherkonstrukteure die diese Problematik kennen, versuchen so gut es geht, impedanzkorrigierende Maßnahmen zu setzen. Das bedeutet aber Mehraufwand und perfekt gelingt so etwas trotzdem nie.
-> Magnetostaten haben von Haus aus einen recht flachen Impedanzverlauf. Hätten sie nicht meist noch schwachen Wirkungsgrad, wären sie für alle Verstärker eine problemlose und ideale Last.
-> Röhrenverstärker mit Ausgangstrafos (der Normalfall) sind „besonders weich“, dadurch sounden sie extrem.
-> Dünne und lange Lautsprecherkabel fördern diesen Effekt noch, so wie auch jeder sonstige Widerstand zwischen Verstärker und Lautsprecher.